"Stechuhr-Urteil" - Relevanz für Überstunden?
30. September 2021
Landesarbeitsgericht Niedersachsen entscheidet über EuGH-Urteil im Überstundenprozess

Im Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahre 2019 wurden Arbeitgeber*innen verpflichtet, „objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem jede*r Arbeitnehmer*in die tägliche Arbeitszeit messen kann“. Damit war im indirekten Sinn die Verpflichtung zur "Stechuhr" gemeint.
Nach neuestem Urteil des LAG Niedersachsen hat oben genanntes Urteil jedoch keine unmittelbare Auswirkung auf die Beweislast im Prozess um Überstunden.
Im hier dargelegten Fall hatte ein Arbeitnehmer versucht, eine Überstundenvergütung einzuklagen.
Dieser hat auf Basis technischer Zeitaufzeichnungen des Arbeitgebers seine geleisteten Stunden dokumentiert.
In erster Instanz wurde dem Arbeitnehmer Recht gegeben, da laut EuGH-Urteil der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nachkommen hätte müssen und allein duch Indizien (z. B. die Erläuterung der Pausenzeiten) keine Gegenargumentation zur Höhe der Überstunden greift.
In zweiter Instanz wurde nun, hingegen zum Urteil des ArbG Emden, entschieden, dass das EuGH-Urteil in diesem Fall nicht zur Anwendung kommt.
Begründung hierfür war, dass dem EuGH die Kompetenzen fehlen, die nationale Rechtssprechung zu ändern.
Somit gelten weiterhin die Grundsätze des Bundesarbeitsgerichtes.
Die Revision des Urteils wurde jedoch zugelassen.
Damit ist es nicht unwahrscheinlich, dass das BAG entscheiden muss, wie das EuGH-Urteil in solchen Fällen anzuwenden ist.
Schlussendlich bleibt weiterhin nur zu empfehlen, die vorhandenen Zeiterfassungssysteme zu prüfen und ggf. durch effektivere bzw. revisionssichere Geräte bzw. Software zu ersetzen.